Planen für einen bestimmten Ort heißt Nachdenken über das Besondere

Die Architektur der Betz Architekten für den HVB-Tower

Planen für einen bestimmten Ort heißt Nachdenken über das Besondere. Dieser Satz, zugleich Titel eines Buches über das Architekturbüro Betz Architekten (1), kann nicht passender formuliert werden. Er spiegelt die Philosophie und das Anliegen wieder, die jeder neue Auftrag für das Büro bedeuten: das Besondere zu finden, um es anschließend in Architektur zu übersetzen.

1969, als der Wettbewerb für die neue Zentrale der damaligen Hypo-Bank ausgeschrieben wurde, sah das Ergebnis dieser Auseinandersetzung zunächst völlig anders aus als das Hochhaus, das bis heute die Silhouette Münchens maßgeblich prägt.

Walther und Bea Betz gewannen den Wettbewerb, jedoch mit dem Entwurf für ein kubistisches, wesentlich kleineres Gebäude. 1972, noch während der darauffolgenden Planungsphase, stellte die Bank einen größeren Raumbedarf fest als den ursprünglich definierten. Dazu kamen genaue Vorstellungen des Bauherrn an Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und eine langfristige Nutzung. Einzel- und Großraumbüros in verschiedenen Varianten sollten möglich sein, und eine größtmögliche Flexibilität sowie Tageslicht in allen Büros – am besten noch mit Ausblick für jeden Mitarbeiter.

So entstand die Idee, ein völlig neues Konzept anzugehen: einen im wahrsten Sinne überragenden Turm, etwas Spektakuläres, Neues. 'Das Haus sollte die Lebendigkeit der Architektur zeigen', sagt heute Oliver Betz, Geschäftsführer von Betz Architekten.

In München war bis zu dieser Zeit die Traufhöhe (mit Ausnahme des Fernsehturmes) auf 99 Meter begrenzt – die Türme der Frauenkirche sollten der höchste Punkt der Stadtsilhouette bleiben. Das Büro Betz plante das Gebäude auf 114 Meter, denn niedriger hätten die Plastik und Proportion nicht gewirkt.  'Die damalige Stadtverwaltung unter OB Georg Kronawitter begutachtete das Modell, war überzeugt und genehmigte', erzählt Oliver Betz. Im Gegenzug verpflichtete sich die Hypo-Bank, die Kosten für ein Teilstück der neuen U-Bahn-Trasse zum Arabellapark zu übernehmen.

1974 wurde die Baugrube mit der Größe von drei Fußballfeldern ausgehoben und das 26 Meter tiefe Fundament gegossen, das einer Gebäudelast von 275.000 Tonnen standhalten muss. Bis zum zehnten Obergeschoss und einer Höhe von 42 Metern wurden die vier Treppentürme  errichtet, anschließend kletterte ein 3.800 Tonnen schweres Traggeschoss per Hubböden mit 13 hydraulischen Pressen langsam in die Höhe. Die Geschosse oberhalb stehen auf dem Traggeschoss, diejenigen unterhalb hängen daran, um die Stützenquerschnitte niedrig und wirtschaftlich zu halten.

Auch der U-Bahn-Bau wurde zu einer technischen und statischen Herausforderung. Nicht nur, dass erstmals zeitgleich ein U-Bahn-Tunnel und ein darüber liegender Neubau errichtet wurden. Auch durften die Fundamente beider Bauwerke keine Berührungspunkte haben, so dass ein massiver Stahlbetonrahmen konstruiert wurde, der den Tunnel vom Gebäude trennt. Statt des üblichen massiven und durch den zentralen Kern in seiner Flexibilität eingeschränkten Vierkant- oder Rundhochhauses errichteten die Architekten einen skulpturalen, extrovertierten Stelzenbau. Dabei wurde der Wunsch des Bauherrn nach hoher Tageslichtqualität am Arbeitsplatz und möglichst vielfältigen Büroorganisationsformen durch die Form des Grundrisses und eine große Fassadenfläche erfüllt.

Walther und Bea Betz haben die Baumasse an vier unterschiedlich hohen Pylonen über den Sockel hinauf in den Münchner Himmel gehoben. So wirkt das Hochhaus trotz seiner einheitlich geschlossenen Haut betont leichtgewichtig und luftdurchlässig, wie von Schwere und Masse befreit.(2) Dabei haben die Fenster und Aluminiumpaneele der Fassade den gleichen Silberton. Die Farbnuancen des Himmels werden reflektiert – das Gebäude verändert sich je nach Wetter und Jahreszeit und bleibt kein Fremdkörper.

Die auf den ersten Blick kapriziös wirkenden Formen des Sockelbaus und der darüber gehängten, spitz zulaufenden Stockwerke sind also aus der Funktion der dahinter liegenden Büroräume geschaffen worden (3) und 'immer noch so zeitgemäß und modern wie zu Baubeginn', so Oliver Betz. Bei der feierlichen Eröffnung des Gebäudes am 16.11.1981 sagte der damalige Vorstandssprecher der Hypo-Bank, Dr. Wilhelm Arendts: ' Die neue Zentrale ist Ausdruck eines auf Kontinuität gerichteten unternehmerischen Handelns.'

Bis heute bedeutet der Turm für die Hypo-Vereinsbank ein wesentliches Stück Identität. Für die Münchner ist er ein modernes Denkmal geworden, ein Bauwerk, das die Ästhetik der 80er Jahre auf einmalige und bis heute zeitgemäße Art reflektiert.

 

(1) Gottfried Knapp: Planen für einen bestimmten Ort heißt Nachdenken über das Besondere. Bauten der Betz Architekten, Ernst Wasmuth Verlag

(2) Aedes: Betz Architekten, HypoVereinsbank Arabellapark München, 1999

(3) Gottfried Knapp (Hrsg.): Betz Architekten, Ernst Wasmuth Verlag, 2004